Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schnelsen

Kinderküche Luz Alba

Wie geht es weiter?

Anbei stellen wir den Bericht über die Arbeit des Kinderküchenteams ins Netz. Der Bericht ermutigt uns den geplanten Ausbau der Kinderküche im Frühjahr 2011, zu einem Kinder- und Jugendzentrum, weiter voranzutreiben.
Im Frühjahr 2011 plane ich mit unserer Gemeindepädagogin und 8 ehrenamtlichen jungen Erwachsenen aus der Kinder- und Jugendarbeit nach Argentinien zu reisen und den Ausbau tatkräftig zu unterstützen.
Euer Hans Michaelis

Bericht Kinderküche Luz Alba – Juni 2010 - von Ricardo Juárez dem Leiter der Kinderküche:

Liebe Freunde und Förderer der Kinderküche „Luz Alba“,

Hiermit möchten wir euch ein paar Informationen zukommen lassen, die wir in jüngster Zeit gesammelt haben. Seit einigen Monaten haben wir eine neue ehrenamtliche Mitarbeiterin: Karina Cami Magri ist Ernährungsberaterin und hilft uns sehr dabei, die wöchentlichen Essenspläne zu erstellen, womit wir den Einkauf und die Arbeit der jeweiligen Kochteams vereinfachen konnten. Sie hatte die Idee, eine große Umfrage unter den Besuchern durchzuführen, um besser auf die Bedürfnisse der jeweiligen Familien reagieren zu können. Denn an manchen Tagen hatten wir mal gerade 15 Besucher, an anderen Tagen war der Speisesaal überlaufen. Wir wollten gern wissen, woran diese Schwankung lag. Anbei das Ergebnis der Umfrage:

Einkommen/Arbeitssituation:

  • 55 Prozent der Besucher der Kinderküche ist zwischen 6 und 16 Jahre alt
  • 75 Prozent der Familien leben von einem Gehalt, davon bestreiten 66 Prozent deren Lebensunterhalt ausschließlich durch Gelegenheitsjobs

Schulausbildung:

  • 30 Prozent der Kinder besucht die Grundschule (1. bis 6. Klasse)
  • 28 Prozent der Kinder hat die Grundschule bis zum Schluss besucht
  • Kein einziger Besucher hat eine weiterführende Schule bis zur letzten Klasse besucht

Wohnsituation:

  • Jeder Haushalt besteht durchschnittlich aus 6,25 Personen
  • 13 Prozent der Familien leben in 1-Zimmer-Wohnungen (*)
  • 33 Prozent leben in 3-Zimmer-Wohnungen (*)
  • 50 Prozent leben in einer 4-Zimmer-Wohnung (*)
  • 33 Prozent haben keine Toilette im Haus

(*) Bei den Wohnungen handelt es sich meistens um sehr einfache Behausungen.

Ernährung: Die Überraschung der Umfrage betraf eher das Thema Ernährung:

  • „Nur“ 27 Prozent der Befragten Kinder und Mütter gaben an, zur Kinderküche zu kommen, weil das Familieneinkommen für das tägliche Essen nicht ausreichend ist. Dies erklärt die Schwankungen in der Zahl de Essensbesucher.
  • 73 Prozent sagten, sie kämen täglich zur Kinderküche „weil sie es toll finden, wie mit ihnen umgegangen wird, weil das Essen so gut schmeckt und weil sie sich in der Kinderküche sehr wohl fühlen“. Zusammengefasst betonten alle, sie kämen zur Kinderküche, WEIL SIE SICH HIER GEBORGEN FÜHLEN.

Diese Information hat uns dazu gebracht, viel über eine Neuausrichtung unserer Arbeit nachzudenken. Wir haben festgestellt, dass das wichtigste Ziel unserer Aktivitäten ist, einer beachtlichen Anzahl von Kindern, Jugendlichen und Müttern der sozialschwachen Bevölkerung dieser Stadt den nötigen HALT anzubieten. Diese Menschen sind sehr anfällig für das große Angebot an Suchtmitteln wie Alkohol und Drogen. Sie müssen unterstützt und motiviert werden, um ihre Lebenssituation zu verändern.

Wir haben bemerkt, dass die Situation in Argentinien und somit in der Stadt La Falda und innerhalb der Familien sich verändert hat. Daher müssen wir, die Verantwortlichen dieses Projektes, auch unserer Aktivitäten überdenken, um den neuen Bedürfnissen der Besucher gerecht zu werden.

Das angebotene Mittagessen ist nach wie vor das wichtigste „Werkzeug“, um mit diesen Familien in Kontakt zu kommen und deren Vertrauen zu gewinnen. 1999, als wir mit der Küche starteten, waren unsere ersten Besucher vier bis fünf Jahre alt. Heute sind diese Kinder von damals 14 oder 15, die meisten von ihnen besuchen keine Schule, sie haben keine Chancen, weder eine Arbeit noch einen Ausbildungsplatz zu finden, und als wäre dies nicht schlimm genug, sie können auch nicht mit Hilfe oder Motivation seitens ihrer Eltern rechnen. Sie verfügen dann über viel zu viel „freie Zeit“ und „Leerlauf“, ohne altersgerechte Angebote, ohne die soziale Geborgenheit, die Jugendliche brauchen, um nicht für das leider breite Angebot an Suchtstoffen anfällig zu sein.

Das Thema Sucht ist ein großes Problem in dieser Bevölkerungsschicht: Die Eltern sind überfordert, es gibt keine staatliche Unterstützung, kaum Arbeitsangebote, die familiären Verhältnisse sind oft turbulent und bieten nicht das Netz, das diese Kinder brauchen, um Verhaltensregeln zu erlernen, um stark genug zu sein, ihr Leben zu meistern.

Dazu kommt die immer größer werdende Schere zwischen arm und reich, die auch Diebstahl und Bagatelldelikte in die Höhe schellen lässt. Diese Familien verfallen oft in die Fantasie, sie würden sozial besser akzeptiert sein, wenn sie über die neuesten elektronischen Geräte verfügten.

Aus diesem Grund haben wir neue Strategien entworfen, um diesen Strömungen entgegen zu wirken. Die Kinderküche fungiert heutzutage mehr den je als soziale Einrichtung, die dazu dienen sollte, diesen jungen Menschen und Familien Werte zu vermitteln, damit sie besser in der Lage sind, ihr Leben zu verändern.

AKTIVITÄTEN DER KINDERKÜCHE

MITTAGSTISCH: Nach wie vor unser schmackhafter „Schlüssel“ zu den Kindern und deren Familien. Die Küche bietet ganzjährig von Montag bis Freitag eine warme Mahlzeit zwischen 12 und 14 Uhr. Die Grundschulen der Stadt haben nicht genügend Räume für alle Klassen, daher gehen manche Kinder morgens, manche nachmittags zur Schule. Dieses Zeitfenster der Kinderküche ermöglicht allen, vor oder nach dem Unterricht in unserem Speisesaal zu essen.
BIBLIOTHEK: Romina, eine neue Mitarbeiterin, hat mehr als 250 gespendete Bücher sortiert und bietet den Kindern und ihren Eltern Zeitschriften, Romane, Schul- und Wörterbücher, Kinderbücher und Spiele.
BIO-GEMÜSEGARTEN: Viele Anläufe waren nötig, nun freuen wir uns sehr über unseren üppigen Bio-Gemüsegarten. Vier junge Leute übernahmen die Verantwortung, unter deren Leitung wurde Unkraut entfernt, ein Gewächshaus errichtet und der sinnvolle Verbrauch der zwei großen Regenwassertanks geregelt.
SECOND –HAND-KLEIDERKAMMER: Dieses Angebot läuft seit langem sehr gut. Mit dem Verkauf von gespendeten Kleidungsstücken bestreiten wir die laufenden Kosten für Strom, Gas und für besondere Beilagen der Mahlzeiten.
KINDERFESTE: Einer der „kreativsten“ Wege, die wir gefunden haben, um Kinder und überforderte Mütter zu integrieren, sind die zwei Mal im Jahr durchgeführten „Kindergeburtstagsfeste“. In dieser spielerischen, fröhlichen Atmosphäre können wir das Vertrauen und die freundschaftliche Bindung zwischen den Familien und den Mitarbeitern festigen, weil wir bei den Feiern beiläufig mehr über sie und ihre Lebenssituation erfahren.
SCHULMATERIALIEN: Dienstags und donnerstags werden Hefte, Mappen, Stifte und weitere Schulsachen verteilt. Die Kinder werden motiviert, weiter zur Schule zu gehen. Die örtlichen Grundschulen sind neben der Kinderküche wohl die einzigen Institutionen, die vielen Familien Geborgenheit bieten.

PARTNERSCHAFTEN AUSSERHALB DER KINDERKÜCHE

DR. JOAQUÍN AGOST: Dieser Kinderarzt aus La Falda begleitet und unterstützt die Kinderküche seit vielen Jahren. Als Kinderarzt des einzigen öffentlichen Krankenhauses der Stadt untersucht er die Kinder regelmäßig und teilt uns immer öfters die gute Nachricht mit, dass viele Kinder nicht an Unterernährung leiden, weil sie bei uns essen. Dr. Agost hat uns eingeladen, uns einer Arbeitsgruppe anzuschließen, die sich speziell auf die Suchtprävention für Grundschulkinder ab deren Einschulung konzentriert, damit sie und ihre Familien so gestärkt werden, dass sie in der Lage sind, „Nein“ zu sagen, wenn das leider allgegenwärtige Angebot an Drogen und Alkohol in deren Bewusstsein eindringt.
Im Rahmen dieser Zusammenarbeit besuche ich (Ricardo Juárez, Leiter der Kinderküche) ein Mal im Monat ein zweitägiges, von der Provinzregierung durchgeführtes Seminar, das von Mai bis Dezember 2010 läuft. Dieser Kurs namens „Erste Antwort“ findet in der Provinzhauptstadt Córdoba statt (1 ½ Stunden von La Falda entfernt) und wurde speziell für Leiter von Einrichtungen erarbeitet, die täglich Kontakt mit Menschen haben, die Gefahr laufen, künftig drogenabhängig zu werden. Ärzte, Psychologen, Soziologen und Anthropologen analysieren Umfeld und Faktoren, die zum Drogenkonsum und sogar zum Tod führen können (in dem kleinen Nachbarort Valle Hermoso begingen 2009 sieben Jugendliche Selbstmord). Der Kurs vermittelt Betreuungsstrategien und sehr wertvolle Informationen für uns. Unsere Kleinstadt La Falda plant zurzeit die Errichtung einer Arbeitsgruppe zur Vorbeugung von Suchtgefahren unter der Leitung von Dr. Agost.
SPORTCLUB JUNIORS: Fernando Gallego, verantwortlich für die Fußballabteilung dieses Clubs aus dem Nachbarort Valle Hermoso, hat uns um Hilfe gebeten. Er betreut ca. 55 Kinder zwischen 7 und 14 Jahren alt, die am Wochenende Fußballspiele an verschiedenen Orten in der Gegend bestreiten. Sie fahren morgens mit Linienbussen zum jeweiligen Sportplatz und kommen abends zurück. Viele dieser Kinder haben kein Geld für das Essen. Einige Mütter versorgen sie mit Kuchen oder Keksen, aber das ist natürlich nicht genug für einen anstrengenden Fußballtag. Herr Gallego hat uns gefragt, ob wir eventuell für belegte Brötchen sorgen könnten.
Unsere Kasse ist nicht gerade voll, um Extras zu finanzieren, aber das Team der Kinderküche überlegt, wie wir helfen könnten. Diese Kinder haben schon tolle Ergebnisse erreicht (sie waren sogar Provinz-Vizemeister in ihrer Kategorie), aber zurzeit sind die sportlichen Leistungen leider nicht so gut. Sie brauchen Motivation, Fußballschuhe und eben gute Nahrung, um nicht aufzugeben. Als Kinderküchenmitarbeiter liegt uns die Unterstützung dieser Sportmannschaften sehr am Herzen, zumal mindestens zehn der Spieler unseren Mittagstisch besuchen. Der Sport gibt ihnen ebenfalls Halt und Geborgenheit, vermittelt ihnen auch Disziplin und gesunden Ehrgeiz. Wir würden gern alles tun, damit sie weiter im Verein spielen können, gerade in diesem schwierigen Alter.
MOLINO DE ORO: Frau Titina, Mutter von elf Kindern, hat in diesem Stadtteil von La Falda eine Mini-Küche gestartet, um Kindern nachmittags nach der Schule mit Broten und Getränken zu versorgen. Wir stehen mit Frau Titina in Kontakt, um sie zu unterstützen. Manche ihrer eigenen Kinder haben Drogenprobleme. „Molino de Oro“ und „San Jorge“ sind die ärmsten und sozial empfindlichsten Stadtteile von La Falda, von dort kommen all die Familien, die unsere Einrichtung besuchen. Frau Titina erzählte uns eine Geschichte zum Thema Sucht. Eines Tages entdeckte sie einen ihrer Söhne beim Rauchen von Hasch zu Hause. Von da an fing sie an, die „schlechten Freunde“ ihres Kindes aus der Wohnung zu vertreiben, sagte sie. Frau Titina versuchte es mit allen Mitteln, aber ihr Kind kam davon nicht los. Bis sie ein paar Monate später den Jungen aufforderte: „Gib mir das, was du rauchst. Wenn ich es nicht bekämpfen kann, dann will ich wissen, warum du es tust, was du daran findest“. Der Junge war von der Reaktion der Mutter so betroffen, dass er mit dem Haschkonsum aufgehört hat.

Dieser Mutter und vielen anderen Familien, die trotz sehr schwieriger Umstände ihre Kinder nicht aufgeben, wollen wir weiter zur Seite stehen. Unsere Küche, unsere Feste, unsere Gespräche sind für sie und ihre Kinder sehr wichtig. Inzwischen ist die Kinderküche Luz Alba in der ganzen Region bekannt, zumal keine der Ortschaften dieser Gegend über eine ähnliche Institution verfügt.

„Wir kommen zu euch, weil es hier schön ist“, sagen uns oft die kleinen und großen Besucher. Diese Geborgenheit wollen wir ihnen auch in der Zukunft bieten, und diese ist nur durch eure große Hilfe aus der Ferne möglich! Immer wenn wir denken, „diese Woche wird das Geld definitiv nicht reichen“, tauchen Menschen auf, die durch ihre Spenden diesen Kindern das sichere Gefühl geben, dass sie wertvoll, dass sie auf dieser Erde erwünscht und willkommen sind.

Wir danken allen bekannten und unbekannten Spendern herzlichst für ihr Engagement!

Herzliche Grüße senden euch

Ricardo Juárez und das Team der Kinderküche Luz Alba

La Falda, Argentinien, im Juni 2010

 


Gedruckt am Mo, 28.04.2025 | 23:12:55 Uhr, aus http://www.kircheschnelsen.de
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